kulturpalst Günter Hirt / Sascha Wonders (Hg.):
Kulturpalast. Neue Moskauer Poesie und Aktionskunst. Mit Tonkassette und Karteikartensammlung, Wuppertal (Edition S Press), 1984.




Die Tonkassette

Wsewolod Nekrassow
Kleine Landschaftsgedichte für Kinder
5:10 Minuten
Wsewolod Nekrassow
Verschiedene Gedichte
4:50 Minuten
Wsewolod Nekrassow
Leningrader Gedichte »Ausschnitt als mp3-audio(150kb)«
4:30 Minuten
Andrej Monastyrskij
Angenehmes Lesen
5:13 Minuten
Andrej Monastyrskij
Werk aus dem Jahr 1973
2:03 Minuten
Andrej Monastyrskij
Punktierte Komposition
2:30 Minuten
Andrej Monastyrskij
Werk aus dem Jahr 1973 »mp3-audio(157kb)«
0:35 Minuten
Lew Rubinstein
Vorromantische Vermutungen
3:03 Minuten
Lew Rubinstein
Das ist interessant
3:20 Minuten
Dimitrij Prigow
Drittes Alphabet
4:05 Minuten
Dimitrij Prigow
Evangelien Beschwörungen
4:14 Minuten
Dimitrij Prigow
40 banale Überlegungen zu banalen Themen
1:52 Minuten
Dimitrij Prigow
Der Milizionär
0:35 Minuten
Dimitrij Prigow
Moskau und die Moskauer
5:00 Minuten
Fliegenpilz ("Muchomor")
Einleitung »mp3-audio(280kb)«
1:00 Minuten
Fliegenpilz ("Muchomor")
Widmung
1:22 Minuten
Fliegenpilz ("Muchomor")
Gleb Oglobin
2:20 Minuten
Fliegenpilz ("Muchomor")
Lied
1:11 Minuten
Fliegenpilz ("Muchomor")
Applaus
0:15 Minuten
Fliegenpilz ("Muchomor")
Außer all dem Unbeständigen...
1:28 Minuten
Fliegenpilz ("Muchomor")
Intimes
2:47 Minuten
Fliegenpilz ("Muchomor")
Kranker finsterer Zeiten...
0:59 Minuten
Fliegenpilz ("Muchomor")
Künftiges
1:12 Minuten
Fliegenpilz ("Muchomor")
Sonnenschein
1:12 Minuten
Alle Aufnahmen entstanden im Frühjahr 1983 in Moskau (außer "Fliegenpilz": "Goldene Schallplatte").


Rezensionen


Neue Zürcher Zeitung, 5.7.1985

(Auszug)

Neue Moskauer Poesie und Aktionskunst Zur Publikation "Kulturpalast"

Die ansprechende Publikation, in der Günter Hirt und Sascha Wonders hierzulande kaum bekannte Beispiele sowjetischer - genauer Moskauer - inoffizieller Dichtung und Aktionskunst vorstellen, besteht aus einem Buch, einer Tonkassette und einer Kartensammlung (von Lew Rubinstein) und dokumentiert, teilweise zweisprachig und mit ausgewähltem Photomaterial, das Schaffen von Wsewolod Nekrassow, Andrei Monastyrski, Nikita Alexejew, Dmitri Prigow, dem Ehepaar Natalja Abalakowa/Anatoli Schigalow sowie den Gruppen "Kollektive Aktionen" und "Fliegenpilz". Einzelnen Namen ist man schon sporadisch in Anthologien "Freiheit ist Freiheit", Arche 1975; "Russische Lyrik", Reclam 1983) und Zeitschriften (Akzente, Heft 3, 1982, "A-Ja", Paris) begegnet; hier jedoch erhält man erstmals umfassenden Einblick in eine Kunstszene, deren konzeptualistische, "minimalistische", absurdistische Arbeitsweise eine Gegenreaktion auf den Monumentalismus, das Pathos und das klassizistische Schönheitsideal des sozialistischen Realismus darstellt.

Ilma Rakusa

Taz, 25.9.1985

(Auszug)

Neue Moskauer Poesie und Aktionskunst
Unerhörte Gedichte im Kulturpalast

Es hat so seine Schwierigkeiten, von etwas zu sprechen, was nur mit dem Ohr aufgenommen und verstanden werden kann. Das merkte ich schon, als ich einem Redakteur davon erzählte. "Sie müssen es sich unbedingt anhören - Gedichte, russische Gedichte, neue russische Gedichte - ich hab die Kassette bei mir." Und wie erst soll man davon schreiben!
Utro utro jest utro... Kryschi, kryschi, tscho tam... Veter veter jedet jedet...
Aber das alles nicht als tote Silben, bloße Buchstaben, sondern aus dem Schlund herausgeholt, auf der Zunge hin- und hergerollt, bis es eine Leichtigkeit und Form gewonnen hat, mit der es dann über die Zungenspitze und über die Zähne hinausspringt in die Welt. Die Geburt von Lauten, von Silben, von Worten, von Versen, von Gedichten.
Oder: Das Stakkato, in dem Petersburg, Petersburg, Petrograd, Petrograd, Leningrad, Leningrad... auf uns zurennt, uns überrennt.
Oder - und das ist schon gar nicht zu beschreiben, sondern nur zu benennen: ein Singsang, wie der von Schamanen, aber christlichen, im Tonfall der orthodoxen Liturgie, anschwellend, gurgelnd bis zum Schreien und Lechzen, verstummend.
Dann plötzlich: ein leicht über die Zunge laufender Vers, hüpfend, springend wie ein Vogel, in einem natürlichen Gleichmaß und ganz aus Silber - Gedichte über "Moskau und die Moskauer".
Auch der gewaltige Akkord des Tschajkowskischen Klavierkonzerts "b-moll" kommt vor und eine Damenstimme, mit der man Morgengymnastik in Verbindung bringt, Pathos vom Vaterländischen Krieg und die Stimme eines Besoffenen.
Dies und vieles mehr ist zu hören und im Original sowie in Übersetzungen nachzulesen in einem "tönenden Buch", erschienen im Wuppertaler S-Press-Tonbandverlag - gediegen, schön, sachkundig - eben so, wie man es heutzutage nur noch kleinen Verlagen zutraut.

Karl Schlögel