moskau moskau Günter Hirt / Sascha Wonders:
Moskau. Moskau. Videostücke, Wuppertal (Edition S Press), 1987.




Die Videostücke

Gruppe "Kollektive Aktionen"
Russische Welt
7:42 Minuten
Andrej Monastyrskij
Gespräch mit der Lampe
4:14 Minuten
Dmitrij A. Prigow
Der Milizionär
5:51 Minuten
Nikita Alexejew
Außerhalb der Welt, in der ich gern wäre
5:09 Minuten
Wadim Sacharow
So wird es wohl gewesen sein
3:40 Minuten
Ilja Kabakow
Projekt der Ausstellung eines Bildes: "Garten"
8:00 Minuten
Jossif Backstein, Ilja Kabakow, Andrej Monastyrskij
Wie im Paradies
7:19 Minuten
Die Aufnahmen entstanden 1985.


Rezension


Frankfurter Rundschau, 19.3.1988

(Auszug)

Für ein Medium, das sich rasant ausbreitet, gibt es, anders als für das Buch und die Schallplatte, in Tageszeitungen noch keine eigenen Spalten: für die Videocassette. Und wo von ihr die Rede ist, werden die Konserven von Kinofilmen besprochen oder die (mit wenigen Ausnahmen) immergleichen stumpfsinnigen Musikvideos mit ihrer hektischen und voyeuristischen Machoästhetik, die sie der Werbung und technisch dem Experimentalfilm der sechziger Jahre abgeguckt haben. Auch hier also wird ignoriert, was nicht marktgängig ist. Wir wollen da Aushilfe schaffen und wagen einen Seitensprung in einer Plattenkolumne. Vorgestellt wird eine ganz außergewöhnliche Videocassette: "Moskau Moskau". Produziert wurde sie von der verdienstvollen Edition S-Press, die sich seit Jahren um Tonaufnahmen akustischer Literatur bemüht. Die Dokumentaristen und Verfasser eines kenntnisreichen Begleithefts haben bereits die (in der FR gepriesene) Toncassette "Kulturpalast" herausgegeben. Die Videocassette ergänzt diese nun um Aktionen aus der sowjetischen Avantgardeszene. Das reicht von einem Happening in einem Setting wie aus einem frühen Polanski-Kurzfilm, bei dem die Ratlosigkeit einiger Beteiligter nicht verschwiegen wird, über eine Art Vernissage im stilisierten privaten Ambiente ("Magic Afternoon" auf Russisch?), über ein (inszeniertes oder spontanes?) Kunstgespräch beim Badeausflug, über groteske Literatur mit szenischen Elementen in der Tradition von Daniil Charms bis zu einer Lyrik_Lesung und zum autobiographischen Bericht (deutsch untertitelt). Was einem manche Passagen dieses Videofilms an optischer Sensation vorenthalten, kompensieren sie mit Informationswert. Ein Muß für Interessenten an sowjetischer Kultur.

Thomas Rothschild